Fachkräftemangel im Sozialbereich

Gibt es nun einen Fachkräftemangel im Sozialbereich? Die Antwort lautet definitiv «Ja».

Vom Bundesamt für Sozialversicherung liegt eine wichtige Studie zur Beschäftigung und Produktivität im Sozialbereich (9.2016) vor. Sie bestätigt im Zeitraum von 1995 – 2013 ein sehr starkes Beschäftigungswachstum. Dabei wuchs die Beschäftigungsrate – prozentuell gesehen – in der Tagesbetreuung von Kindern am stärksten. In absoluten Zahlen war das Wachstum im Bereich der Alters- und Pflegeheime, der Institutionen für Menschen mit Beeinträchtigungen sowie in der Betreuung von Suchtkranken und psychosozial belasteten Menschen am grössten.

Gründe für die Steigerung dieses Beschäftigungswachstum sind: Die demografische Entwicklung, die Erhöhung der durchschnittlichen Lebenserwartung, gesellschaftliche Veränderungen (wie z.B. der höhere Prozentsatz von berufstätigen Müttern und der zunehmende Bedarf an familien- und schulergänzender Kinderbetreuung) und politische Initiativen (wie z.B. die Anschubfinanzierung für Kinderbetreuungsangebote).

Prognose: Der Personalmangel nimmt zu

Aufgrund der Hochrechnungen bis 2030 geht man von einer weiteren Zunahme des Fachkräftemangels aus. Da neben dem zusätzlichen Personalbedarf auch natürliche Fluktuationen aufgefangen werden müssen, sind die Herausforderungen sehr gross. Gemäss mittlerem Szenario dürfte das Wachstum von 209‘000 Vollzeitstellen im Jahr 2013 auf 317‘000 im Jahr 2030 ansteigen. Das ist beachtlich! Dieser Bedarf lässt sich auch mit Quereinsteiger/Innen und entsprechend ausgebildeten, eingewanderten Migrant/Innen kaum decken.

Auch für die Zukunft geht man davon aus, dass das Wachstum in der Kinderbetreuung prozentuell am stärksten weiterwachsen wird. Im mittleren Szenario sollen die Vollzeitäquivalente von 20‘800 im Jahr 2013 auf 35‘000 im Jahr 2030 zunehmen, was einem Wachstum von 71% entspricht. Bei der Personalsuche wird man also noch mehr als heute alle Register ziehen müssen.

Produktivität steigern: Ja, aber wie?

Angesichts dieser Herausforderungen stellt sich auch die Frage, wie die Produktivität gesteigert werden kann. Eine Steigerung der Produktivität könnte helfen, diesen massiven Personalbedarf abzuschwächen. Antworten auf diese Frage und Möglichkeiten für Optimierungen auf betrieblicher Ebene sind:

  • Verbesserung betrieblicher Abläufe
  • Nutzung von Grössenvorteilen
  • Zusammenschluss von (insbesondere kleineren) Institutionen
  • Konzentration auf das Kerngeschäft
  • Auslagerung von anderen Aufgaben an Dritte
  • Interne Weiterbildung
  • Reduzierung von administrativem Aufwand
  • usw.

Im Bereich der Betreuung und Pflege von betagten Menschen könnte u.a. eine verstärkte Förderung von Tages- und Nachtstrukturen oder von Angeboten des betreuten Wohnens zur Verbesserung von Produktivität beitragen. Selbst der Einsatz von neuen Technologien im Pflegebereich wie z.B. der Einsatz von Pflegerobotern findet Erwähnung.

Wo können Bund und Kantone ansetzen?

Ansatzpunkte auf der Ebene von Bund und Kantonen liegen für die Autoren der Studie u.a. hier: Optimierung von Regulierungen (wobei Branchenvertreter teilweise nicht nur einen Abbau von Regulierungen, sondern teilweise auch neue Regulierungen für wirksam halten), Änderungen bei der Finanzierung von Sozialleistungen und sozialen Institutionen (z.B. im Bereich der Ergänzungsleistungen oder Subjektfinanzierung), Ermöglichung von mehr Wettbewerb, Finanzierung von Aus- und Weiterbildung sowie Förderung von Innovationen (z.B. durch Forschung, Wirkungsmessung und Identifizierung von Good-Practice Beispielen.

Weiterführende Informationen

In diesem Blog berichtete ich bereits früher über das Problem des Personalmangels. Siehe hierzu die folgenden Beiträge:

Zürcher Kita-Personalstudie: Brisante Ergebnisse
Personalmangel im Betreuungsbereich: Alles andere als lustig
Schwierige Personalsuche im Sozialwesen

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