Zürcher Kita-Personalstudie: Brisante Ergebnisse

Teilweise missliche Arbeitsbedingungen in Zürcher Kitas

Das Institut für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Zürich untersuchte in einer repräsentativen Studie die Arbeitsbedingungen und die Gesundheit des Personals von Kinderkrippen in Zürich. Dies im Auftrag des Sozialdepartements der Stadt Zürich. Dazu befragte es über 1000 Fachpersonen in den von der Stadt Zürich subventionierten rund 200 Kitas. Ziel der Studie war, wissenschaftlich abgestützte Hinweise zu erhalten, mit welchen Massnahmen die Arbeitsbedingungen in Kitas verbessert sowie die Personalfluktuation und die Absenzen gesenkt werden können.

Obwohl die Studie keine Antworten auf die Hauptfragestellungen des Fluktuations- und Absenzenumfangs geben konnte, sind die Ergebnisse brisant. Sie lassen aufhorchen und gelten ohne Zweifel nicht nur für stadtzürcher Kinderkrippen. Nun steht schwarz auf weiss, was viele Fachleute bereits wissen: Nämlich dass die strukturellen Arbeitsbedingungen in Kinderkrippen teilweise misslich sind und sich negativ auf die Berufs- und Arbeitszufriedenheit des Betreuungspersonals auswirken. Als sehr interessant erweisen sich die Empfehlungen der Studienautor/Innen und die jeweiligen Stellungnahmen des Sozialdepartements der Stadt Zürich dazu.

Im Folgenden habe ich einige der aus meiner Sicht sehr interessanten Ergebnisse aufgelistet.

Ein paar statistische Daten zum Personal

  • 95% der Kita-Leitungen sind weiblich.
  • Ein Drittel der Kita-Leitungen ist jünger als 36 Jahre alt.
  • 64% des ausgebildeten Personals ist zwischen 21 und 30 Jahre alt.
  • Nur bei 30% der befragten Personen liegt das Dienstalter über 10 Jahre.
  • 35 Prozent der Gruppenleitungen und über 45 Prozent der Miterziehenden arbeiten weniger als zwei Jahre an ihrer aktuellen Stelle.
  • Die meisten der befragten Betreuungspersonen absolvierten ein Praktikum, bei über 45 Prozent der Befragten dauerte dieses mehr als ein Jahr.
  • Jede vierte Kita-Leitung ist eingewandert, mehrheitlich aus Deutschland oder Österreich.
  • 20 Prozent der befragten Personen stammen mehrheitlich aus einem EU-Land.

 Räumliche Ausstattung

  • Ein Drittel des befragten Personals findet die Ausstattung ihrer Kita mit Arbeitsmaterialien ungenügend.
  • Rund die Hälfte der Befragten beklagen das Fehlen geeigneter Arbeits- und Erholungsräume für das Personal.
  • Erwachsenengerechte Möbel gibt es nur in rund der Hälfte aller Kitas.
  • Geeignete Lärmschutzmassnahmen werden von gut der Hälfte der Befragten als nur teilweise vorhanden angegeben.
  • Da geeignete Räume oft fehlen, können Vor- und Nachbereitungsarbeiten sowie administrative Aufgaben nur schlecht in der Kita erledigt werden.

 Personalmangel

  • Die Fluktuationsrate scheint hoch. Leider konnte die Fluktuationsrate im Rahmen der Studie nicht erhoben und beziffert werden.
  • Die Personalsituation scheint in etwa der Hälfte der befragten Kitas instabil zu sein. Deshalb kann der erforderliche Betreuungsschlüssel oft nicht eingehalten werden.
  • Nur 20% Prozent der befragten Personen gab an, dass in ihrer Kita immer genügend Personal anwesend ist, um die anstehende Arbeit zu bewältigen.
  • Rund die Hälfte der Befragten äussert, dass eine personelle Unterbelegung teilweise oder sogar immer der Fall sei.
  • Die Hälfe der Kitas berichtet, dass sie offene Stellen haben. Einige bleiben mehrere Monate lang unbesetzt.

Zeit für Planungs-, Reflexions- und Dokumentationsaufgaben

  • Die Betreuungspersonen wünschen sich wöchentlich vier Stunden für die Planung von Projekten, die Dokumentation von Beobachtungen, die Planung von Elterngesprächen und für administrative Aufgaben.
  • Jedoch: Etwa ein Drittel der befragten Betreuungspersonen scheint ohne Vor- und Nachbereitungszeit auskommen zu müssen.

Arbeitszufriedenheit des Personals ist auffallend tief

  • In der Studie sind nur 60 bis 70 Prozent der Betreuungspersonen mit ihren Arbeitsbedingungen zufrieden. Vergleicht man diesen Wert mit der durchschnittlichen Zufriedenheit der in der Schweiz Erwerbstätigen, liegt er sehr tief. Denn gesamtschweizerisch sind 91% der Berufstätigen zufrieden mit ihren Arbeitsbedingungen.
  • Obwohl sich viele der Befragten mit ihrer Lohnsituation unzufrieden zeigen, äussern nur 30 Prozent der Befragten, dass sie ab und zu die Absicht hätten, allenfalls die Kita oder den Beruf zu wechseln.
  • In rund einem Viertel der befragten Kitas fühlen sich die Kitaleitungen durch die Trägerschaften mangelhaft unterstützt.

Eine Tatsache: Gesundheitliche Beeinträchtigungen

  • 65 Prozent der Betreuungspersonen teilen mit, dass sie sich manchmal oder oft erschöpft und ausgelaugt fühlen.
  • Am höchsten sind die Werte beim unausgebildeten Personal (75 Prozent der Lernenden und 65 Prozent der Praktikant/Innen), gefolgt von den Kita-Leitungen.
  • Gruppenleitungen, die ihre Arbeit selbst gestalten können, fühlen sich gesünder als Kolleg/Innen, die über wenig Gestaltungsspielraum verfügen.

Die Hälfte der befragten Kitas leidet unter chronischen Personalproblemen

Der Personalmangel gehört zu den Dauerthemen in den Kitas. Er stellt eine grosse Belastung für die Kitas dar. Sie beeinflusst die Arbeitszufriedenheit negativ. Bemängelt wird von den befragten Personen, dass laufend Sitzungen ausfallen, Vor- und Nachbereitungszeiten gestrichen werden und der fachliche Austausch zu kurz kommt oder gar nicht stattfindet.

Das Sozialdepartement stellt dazu fest: „Die Personalsituation in den subventionierten Kitas in der Stadt Zürich, die an der Personalstudie teilgenommen haben, ist sehr unterschiedlich. In der einen Hälfte der Kitas sind die Verhältnisse – abgesehen von der üblichen Fluktuation der Lernenden und Praktikantinnen und Praktikanten – recht stabil, die ändere Hälfte scheint mit chronischen Personalproblemen zu kämpfen. Durch die Überlastung des verbleibenden Personals entsteht daraus eine negative Dynamik von weiteren Absenzen und Kündigungen“ (S. 20).

Die Bewilligungsrichtlinien können aufgrund des Personalmangels oft nicht eingehalten werden, was das Betreuungspersonal stark belastet. Dieses wünscht sich deshalb häufigere Besuche durch die Krippenaufsicht und eine bessere Kontrolle der Kitas. Das Sozialdepartement konstatiert in seinen Schlussfolgerungen einen allgemeinen Fachkräftemangel und will prüfen, wie die Aufsicht über die Kitas verstärkt werden kann.

Bezogen auf das Belastungserleben und die Gesundheit lautet die Schlussfolgerung des Sozialdepartements: „Unzureichende strukturelle Rahmenbedingungen in 50 Prozent der Kitas sind die Hauptursache dafür, dass sich das Personal belastet fühlt und unter gesundheitlichen Problemen leidet. Am meisten belastet die Betreuungspersonen, wenn für die zu betreuenden Kinder zu wenig Personal vorhanden ist. Die Arbeitszufriedenheit des Betreuungspersonals ist deutlich tiefer als in anderen Berufen“ (S. 20).

Empfohlene Massnahmen zur Stärkung der Kitas

Die Autor/Innen der Studie formulieren 19 Empfehlungen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen und leiten Massnahmen davon ab. Diese sollen die Ressourcen des Betreuungspersonals stärken und die Belastungen reduzieren. Sie betreffen verschiedene Dimensionen der Arbeit von Kinderkrippen. Nachfolgend sind einige der interessanteren Ideen aufgeführt:

  • Vermehrte Aufsichtskontrollen durchführen
  • Zeitaufwand für Vor- und Nachbereitung von Sitzungen, Beobachtungen und Entwicklungsdokumentationen, Schreibarbeiten seitens Betreuungspersonal usw. in den Krippenrichtlinien verankern
  • Betriebsübergreifende Springer/Innenpools einrichten und finanziell fördern
  • Unabhängige und niederschwellige Beschwerdestelle einrichten
  • Standards für die Anleitung von Lernenden und Praktikant/Innen festlegen und vereinheitlichen
  • Unterstützungsangebote wie Coaching für Berufseinsteiger/Innen bereitstellen
  • Trägerschaften im Bereich der Frühpädagogik, der Betriebswirtschaft und des Gesundheitsmanagements schulen
  • Imagekampagne für die Kinderbetreuung lancieren

Wie man sieht, gäbe es einiges zu tun. Neben den Trägerschaften, Gemeinden und Subventionsgebern wären auch die kantonalen Instanzen, Kibesuisse und SavoirSocial gefordert. Das Kita-Personal ist, keine Frage, bereit für diese Veränderungen!

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