Die professionelle Raumgestaltung in Kinderkrippe und Kinderhort gehört zu den Grundaufgaben des Betreuungspersonals. Viele lieben diese Aufgabe, da sie gestalterische Freiheiten bietet. Wie die Erfahrung zeigt, enthält sie aber auch verschiedene Herausforderungen. Denn die Ansprüche, die bei der Gestaltung der Räume zu erfüllen sind, erweisen sich als vielfältig.
Durch meine Beratungstätigkeit erhalte ich oft Einblick in Kita und Hort. Dort sehe ich ganz unterschiedlich gestaltete Räumlichkeiten. Einige begeistern mich, so dass ich nur staunen kann. Andere werfen Fragen auf, da sie ungestaltet und manchmal ungeordnet oder sogar chaotisch wirken. Viele Räume erscheinen durchschnittlich und standardisiert, was nicht nur der weitverbreiteten Ikea-Einrichtung geschuldet ist, sondern teilweise auch mit ungenutzten Potenzialen zusammenhängt.
Ziele der Raumgestaltung
Grosse Unterschiede in der Gestaltung von Kita- und Horträumen gibt es sowohl in der Kita und dem Hort als Ganzes, aber auch in den einzelnen Gruppen unter demselben Dach. Deshalb komme ich immer wieder zum Schluss, dass die Raumgestaltung offenbar eine anspruchsvolle Aufgabe ist. Auch wenn es sich um eine bei den Betreuungspersonen beliebte Aufgabe handelt, werden ihr nicht alle gerecht. Vielen mangelt es am nötigen Flair und Gespür, um die Räumlichkeiten einladend, anregend und angemessen zu gestalten. Das ist schade, denn die Raumgestaltung beeinflusst schlussendlich das Wohlbefinden der Menschen, die sich in den Räumen aufhalten. Genau dieses Wohlbefinden ist ein hauptsächliches Ziel einer professionellen Raumgestaltung. Denn Kinder und Betreuungspersonen sollen sich in den Räumen der Kita und des Horts wohlfühlen.
Allerdings ist diese Aussage noch sehr allgemein, weshalb die weiteren Ziele wichtig sind: Raumgestaltung soll einerseits die Bedürfnisse der Kinder berücksichtigen, anderseits ihre Entwicklung fördern. Schauen wir zunächst die Grundbedürfnisse an. Kinder möchten
- spielen
- mit anderen Menschen sein
- sich untereinander begegnen
- sich bewegen, hüpfen, springen und rennen
- sich betätigen, experimentieren und ausprobieren
- zur Ruhe kommen, ausruhen und liegen
- trinken und essen
Allein schon diese kleine Übersicht zeigt, dass die Grundbedürfnisse von Kindern heterogen und zahlreich sind. Dies allein macht die Gestaltung von Räumen anspruchsvoll und in sich teilweise sogar widersprüchlich. Abhängig von der Art und Grösse der Location ist es oft sehr schwierig, allen Bedürfnissen gerecht zu werden. Wie zum Beispiel soll man in einem Kinderhort räumlich das Bedürfnis nach Bewegung mit dem Bedürfnis nach Ruhe berücksichtigen, wenn nur ein einziger grosser Raum zur Verfügung steht?
Neben der Berücksichtigung der Grundbedürfnisse verfolgt Raumgestaltung das Ziel, die Entwicklung der Kinder zu fördern. Auch dies ist nicht trivial, denn hier gibt es ebenfalls ganz diverse Lern- und Entwicklungsbereiche, so z. B. die soziale, emotionale, sprachliche, motorische, kognitive, moralische, musikalische und kreative Entwicklung.
Ein Gumpi-Raum mit einer Kletterwand, ein Malatelier, eine Musikwerkstatt oder ein Schreib- und Sprachlabor können die Entwicklung von Kindern gezielt unterstützen. Oft genügt aber auch bereits eine Ecke in einem Raum, um eine sogenannte Bildungsnische für Kinder zu schaffen: Zum Beispiel eine Bau-, Rollenspiel- oder Bücher- und Leseecke. Ob als eigener Raum oder als Nische, in beiden Fällen spielt die jeweilige Funktionalität des Angebots eine wesentliche Rolle, weshalb man auch von Funktionsbereichen spricht.
Kriterien zur Gestaltung der Räumlichkeiten
Erst recht komplex wird es, wenn man die zahlreichen Kriterien betrachtet, die bei einer Raumgestaltung berücksichtigt werden sollten. Man kann sie in zwei Gruppen unterteilen, nämlich Kriterien, die einerseits den Raum selber und anderseits das Angebot (im Raum) betreffen. Raum-Kriterien sind:
- Sicherheit
- Qualität der Ausstattung und Materialien
- Struktur und Unterteilung
- Ergonomie
- Farbe
- Licht
- Akustik
- Behaglichkeit
Als Angebotskriterien gelten:
- Bezug zu Grundbedürfnissen der Kinder
- Bezug zu Interessen der Kinder
- Altersangemessenheit
- Vielfältigkeit
- Präsentation auf Augenhöhe der Kinder
- Überschaubarkeit
- Klarheit und Profil
- Ordnung und Struktur
- Einladende Präsentation
- Ästhetische Gestaltung
- Zugänglichkeit und Erreichbarkeit
- Ermöglichung freier Beschäftigung und selbständiger Orientierung
Spätestens jetzt wird der pädagogische Anspruch, den eine professionelle Raumgestaltung zu erfüllen hat, deutlich. Zudem lässt sich nun besser verstehen, weshalb viele Kinderkrippen und Kinderhorte die vorhandenen Raumpotenziale nur teilweise nutzen.
Konkrete Hilfsmittel zur Raumgestaltung
Mit diesen Erkenntnissen lässt sich nun methodisch-didaktisch überlegen, wie das Betreuungspersonal in der professionellen Raumgestaltung noch mehr unterstützt werden kann.
Sicher wichtig ist eine Übersicht über die oben genannten Kriterien. Hierzu verwende ich gerne eine Checkliste, welche die einzelnen Kriterien in Form von Fragen abdeckt. Eine solche Checkliste sollte man mehrmals im Jahr einsetzen und durchgehen. Gute Erfahrungen mache ich mit der kollegialen Hospitation. Diese umfasst einen Rundgang durch die Räumlichkeiten mit Fachkolleg/Innen sowie einen gemeinsamen Austausch von Eindrücken, Empfindungen und Ideen vor Ort.
Ein Stück weiter geht die Einholung einer fachlichen Expertise, indem man eine Fachperson für eine Beurteilung der vorhandenen Raumgestaltung und eine Beratung zur Neugestaltung einlädt. Ich selber führe im Auftragsverhältnis immer wieder solche Beratungen durch. Dabei bringe ich auch Bildbeispiele aus meiner umfassenden Fotosammlung ein, welche sich über die Jahre durch meine Beratungstätigkeit entwickelt hat.
Grundsätzlich geben Bilder und Fotos oft sehr wirkungsvoll neue Impulse. Zu ihnen gelangt man auch ohne Beratung in Fachbüchern zum Thema «Raumgestaltung», in den Fotogalerien auf der Website von anderen Betreuungseinrichtungen oder auf www.pinterest.com.
Wichtig ist auch das Fotografieren der aktuellen Räumlichkeiten, damit man die Fotos allein, als Team oder sogar mit aussenstehenden Personen durchgehen und die Gestaltung der Räumlichkeiten im Detail beurteilen kann.
Eine Inspirationsquelle par excellence stellt der Besuch von Hospitationseinrichtungen dar, wie es sie etwa in Zürich, Konstanz oder Freiburg im Breisgau gibt. Ich führte verschiedentlich schon solche Bildungsreisen durch und weiss aus Erfahrung, dass die Teilnehmer/Innen jeweils ganz begeistert und mit vielen Ideen in ihren Berufsalltag zurückkehrten.
Professionelle Raumgestaltung ist nicht nur ein anspruchsvolles, sondern auch ein dankbares Thema. Räume sind zum Gestalten da und bieten unzählige Möglichkeiten. Deshalb wünsche ich jetzt schon viel Spass!
Bild: Gautam Arora auf Unsplash