Im Kinderbetreuungsbereich gibt es offenbar einen Bedarf für Entwicklungsprojekte in Kinderhorten und Tagesstrukturen. Bereits in der ersten Ausgabe des Päda.tipp! (Winter 2014) vermittelte ich den Leser/Innen einen kurzen Einblick in meine Beratungs- und Entwicklungstätigkeit in der schulergänzenden Kinderbetreuung. In der aktuellen Ausgabe möchte ich dieses Thema anhand von drei Entwicklungsprojekten vertiefen, bei denen ich im letzten Jahr die Projektleitung innehatte.
Gemeinden und Ausgangslage
Die drei Beispielprojekte fanden in unterschiedlich grossen Gemeinden statt: Im ersten Fall handelte es sich um eine Stadt mit zwölf und im zweiten Fall um eine Gemeinde mit vier Standorten. Im dritten Fall ging es bloss um einen einzigen, jedoch grossen Standort in einer mittelgrossen Gemeinde.
Die Ausgangslage verhielt sich sehr ähnlich und war insofern typisch für viele Horte: Steigende Nachfrage nach Mittagstisch- und Hortplätzen. Stark und rasch gewachsenes Angebot. Ineffiziente Organisation. Unklarheiten an den Schnittstellen. Komplexe und schwierige Schulraumplanung infolge Raumknappheiten. Ungenügende konzeptuelle Grundlagen. Fehlende betriebliche Hilfsmittel. Mangelhafte personelle Ressourcen. Überforderungen auf personeller, operativer und strategischer Ebene. Ungenügende Einbindung in schulischen Kontext.
Projektbeschreibung
Grundlage für die Projektorganisation war eine detailreiche Projektbeschreibung. Diese zeigte den Auftrag und die Zusammensetzung der Projektgruppe, die Dauer des Projekts, die Ziele und die Inhalte auf. Zudem enthielt sie Aussagen bezüglich Information über das Projekt. Ein Beispiel findet sich hier.
Auftraggeber
In allen drei Fällen war es die Schulpflege, welche das Mandat für ein Entwicklungsprojekt erteilte. Allerdings kamen unterschiedliche Protagonisten auf mich zu: In Fall 1 war es die Leiterin der Abteilung Bildung der Schule, im Fall 2 die zuständige Schulpflegerin des Ressorts «Kinderbetreuung» und im Fall 3 die Betriebsleiterin der Schule, der unter anderem auch der Kinderhort und die Kinderkrippe unterstellt war.
Projektgruppe
Die jeweils schlanke Projektgruppen wurden von mir geleitet. Im Fall 1 gehörten die Leiterin der Abteilung Bildung, die Gesamtleitung Hort und die pädagogische Leitung dazu. Im Fall 2 waren es die Schulpflegerin des Ressorts «Kinderbetreuung», eine Schulleiterin sowie drei Betreuungsleitungen, die für je einen Standort zuständig waren. Im Fall 3 setzte sich die Projektgruppe aus der Betriebsleitung, der Hortleitung und ihrer Stellvertretung sowie der Krippenleitung und ihrer Stellvertretung zusammen. In allen drei Beispielen wurden die Schulverwaltung und Schulleitungen punktuell und situativ miteinbezogen.
Projektdauer, Projektumfang
Alle Entwicklungsprojekte dauerten rund ein Jahr. Die Projektgruppe traf sich ca. einmal im Monat für rund 3 Stunden. Das ergab insgesamt zehn bis zwölf Treffen. Dazwischen fielen diverse Entwicklungsarbeiten an.
Projektziele
In Fall 1 und 2 verfolgte die Projektgruppe sehr ähnliche Ziele. In Fall 3 lag die Situation leicht anders, da es nicht bloss um die schulergänzende, sondern auch um die familienergänzende Kinderbetreuung ging. Deshalb nehme ich hier nur auf die ersten beiden Fälle Bezug. Ziele waren:
- Einhaltung gesetzlicher Vorgaben
- Herstellung von Übersicht
- Evaluation der vorhandenen Strukturen
- Neuorganisation und Weiterentwicklung der Hortorganisation
- Identifizierung von Handlungsbedarf
- Benennung und Umsetzung von Optimierungsmassnahmen
Projektthemen
Die Themen ergaben sich sowohl durch die Anliegen der Auftraggeber als auch durch meinen Input als Projektleiter. Zudem entstanden sie situativ und prozessorientiert durch die fortlaufende Arbeit der Projektgruppe. Sie waren jeweils in allen drei Fällen sehr individuell. Im Folgenden sind stichwortartig verschiedene Beispielthemen aus den drei Projekten aufgeführt:
- Grundlagen: Gesetzliche Vorgaben / Erfassung Eckdaten, Festlegung Parameter / Übersichten
- Angebot und Nachfrage: Festlegung Angebot, Anzahl Plätze / Spielraum zur Umsetzung gesetzlicher Vorgaben / Umgang mit Stosszeiten, Schichtbetrieb über Mittag / Regelgruppe und Gruppengrösse / Kinderzahlen, Nachfrage, Belegungsentwicklung, Belegungsprognosen / Faktor für Kindergartenkinder / Ferienhort
- Raumplanung: Raumverhältnisse, Raumbedarf, pädagogisch nutzbare Flächen / Standortbeurteilung, Standortsuche, Standortwahl / Raumgestaltung, Ausstattung
- Personelle Ressourcen: Berechnung Stellenbedarf (inkl. Sitzungszeit, Zeit für Begleitung Kindergartenkinder, Betreuungsstunden am Vormittag usw.) / Ressourcen für Führung und Betreuung / Ressourcen Gruppenleitungen / Verhältnis Fachpersonal zu Assistenzpersonal / Verteilung Stellenwerte
- Aufbauorganisation: Organisationsmodelle / Leitungsstruktur, Funktionsgefüge, Gruppenstruktur / Lohngefüge / Organigramm / Stellenplanung / Anforderungsprofile, Stellenbeschreibungen, Stelleninserate
- Zusammenarbeit: Gefässe und Zeitaufwand für Sitzung und Kommunikation / Zusammenarbeit mit Schule, Kollegium, Fachleuten und Eltern / Zeitaufwand für Sitzung und Kommunikation
- Konzepte und Dokumente: Konzeption Regelwerk / Beurteilung Konzepte und Dokumente / Konzeptentwicklung / Dokumentationen, Hort-Handbuch (Manual)
- Ablauforganisation: Prozesse, Prozessbeschreibungen / Listen / Arbeitszeiterfassung / Arbeitsplanung / Hilfsmittel für Controlling und Führung
- Pädagogische Arbeit: Pädagogische Angebote und Projekte / pädagogische Qualität / Qualitätsentwicklung
- Auftritt: Positionierung, Profil und Selbstverständnis / Corporate Identity, Corporate Design / Auftritt nach aussen / Personalmarketing
- Ausbildung: Organisation Ausbildungsbereich / Ausbau Ausbildungsangebot / Nachwuchsförderung
Grundsätzlich gilt: Die Entwicklungsthemen sind reichhaltig, vielschichtig, untereinander verknüpft und für die Hortorganisation in hohem Masse relevant.
Information und Kommunikation
In allen drei Fällen erwies sich die Kommunikation über das Projekt als sehr wichtig. Deshalb wurden Mitarbeitende, Schulpflege, Schulverwaltung und Schulleitungen regelmässig über den Projektverlauf informiert.
Quintessenz
Die Erfahrung zeigt, dass in den Kinderhorten und Tagesstrukturen viele Entwicklungspotenziale vorhanden sind. Es lohnt sich, sie in Form einer schlanken Projektstruktur anzugehen und zu nutzen. Innerhalb eines Jahres ist sehr viel an Entwicklung möglich. Dabei erweist sich der Prozess, das heisst der Weg zum Ziel, als genauso wichtig wie die Erreichung der Ziele selbst. Dank solcher Projekte ist eine markante, umfassende und tiefgehende Professionalisierung von Kinderhorten möglich, die allen Akteuren – Kindern, Eltern, Betreuungs- und Schulpersonal, Behörden, usw. – Freude macht.