Organisation der Ausbildung im Lehrbetrieb: Wirksam und effizient

Arbeiten Sie auch in einem Betrieb, der Studierende, Lernende und Praktikant/Innen ausbildet? Im sozialen und pädagogischen Berufsfeld ist das üblich und gehört zum Selbstverständnis der Professionen dazu. Sie tragen auf diese Weise zur Nachwuchssicherung und der Entwicklung von Fachlichkeit im Berufsfeld bei.

Gute Ausbildungsqualität ist nicht selbstverständlich

Nichts desto trotz ist gute Ausbildungsqualität keine Selbstverständlichkeit. In meinem Beratungsalltag bin ich bereits auf viele Klagen und teilweise missliche Zustände gestossen. Gerade in Zeiten akuten Personalmangels sind die betrieblichen Anforderungen derart hoch, dass es oft die Personen in Ausbildung sind, die als Erste darunter leiden. Wenn es mit reduzierten personellen Kräften darum geht, zunächst das Kerngeschäft zu meistern, nimmt die Leistung der ausbildungsverantwortlichen Personen beinahe zwangsläufig ab. Dann fallen nötige Ausbildungsgespräche aus und die Lernenden müssen zurück stehen.

Die meisten Betriebe organisieren Ausbildungsverhältnisse als Eins-zu-Eins-Situation einer verantwortlichen Person mit einer Lernenden. In der Regel ist eine Lernende einer bestimmten Gruppe bzw. einem Team zugeteilt, wo eine Berufsbildnerin bzw. ein Berufsbildner (=BB) für sie zuständig ist. In einer kleinen Institution mit nur wenigen Lernenden ist das der einzige Weg, Ausbildung zu organisieren. In einer mittleren und grösseren Institution liegen die Dinge aber anders. Viele sind sich nicht bewusst, dass es Potenziale zur effizienteren Ausbildungsorganisation gibt.

Ausbildung optimieren

In Beratungen zeige ich regelmässig Möglichkeiten zur Optimierung und Weiterentwicklung der Ausbildungsbereiche auf. Ein Schlüssel dazu ist die Schaffung einer Funktion für eine sogenannt berufs- bzw. ausbildungsverantwortliche Person, kurz Berufsbildungsverantwortliche (BBV). Sie ist dort sinnvoll, wo drei oder mehr Ausbildungsstellen bestehen.

Die BBV übernimmt gruppenübergreifend verschiedene Aufgaben. Zuvorderst sind die Standardaufgaben zu nennen, die als formale Eckpfeiler der Grundbildung gelten: 1. Ausbildung planen. 2. Lerndokumentationen in Auftrag geben und beurteilen. 3. Bildungsbericht erstellen und Qualifikationsgespräch führen. Weiter kommen organisatorische und konzeptuelle Aufgaben hinzu, die den gesamten Ausbildungsbereich des jeweiligen Lehrbetriebs betreffen. Zudem koordiniert die BBV nach innen und aussen. Dadurch entlastet sie die BB und allenfalls auch andere Personen, die in die Berufsbildung involviert sind.

Unter dem Strich verhilft die BBV den BB zu mehr Zeit für das Kerngeschäft. Der Spagat, den diese zwischen Berufsbildung und Kerngeschäft machen mussten, wird dadurch angenehm kleiner. Die BB bleiben weiterhin für einzelne Lernende zuständig und übernehmen Instruktions- und Anleitungsaufgaben. Aber sie sind von den Standardaufgaben und grösseren Schreibarbeiten befreit, so dass sie unbelastet fachlich agieren können.

Kostenneutrale Neuorganisation des Ausbildungsbereichs

Die Schaffung einer BBV-Stelle ist kostenneutral möglich. Allerdings erfordert dies eine Umlagerung von Stellenprozenten. Ich mache jeweils folgende Rechnung: Der Ausbildungsaufwand pro Lernende beträgt zwischen 5 bis 10% pro Lernende. Durch eine BBV halbiert sich der Aufwand der BB. Um auf der sicheren Seite zu sein, rechne ich mit 5% für die BB und 5% für die BBV. Ein Beispiel: Ein Lehrbetrieb mit 4 Gruppen, in denen je eine Lernende arbeitet, benötigt für die BBV insgesamt 20%. Die dafür notwendigen Stellenprozente werden bei den BB eingespart, deren Stellen in Zukunft mit 5% weniger dotiert sind. Falls neben Lernenden auch Praktikant/Innen und allenfalls noch Studierende der höheren Berufsbildung ausgebildet werden, können diese dazu gezählt werden. Den Aufwand veranschlage ich in diesen Fällen mit 2.5% pro Stelle.

Mir sind Ausbildungsbetriebe bekannt, die für eine BBV Stellen im Umfang von 20 bis 80% geschaffen haben. Auch gibt es Trägerschaften mit mehreren Betrieben, welche für die BBV eine Vollzeitstelle schufen. Auf diese Weise sind interessante Stellenprofile entstanden, die für die Fachleute spannende Entwicklungsmöglichkeiten bieten.

Vor- und Nachteile des BBV-Modells

Die Einführung des BBV-Modells erfordert einen Organisationsentwicklungsprozess, der im Idealfall als Projekt vollzogen wird. Seine Umsetzung erfordert Zeit und ein Umdenken von allen Beteiligten. Speziell die Rolle der BBV bedarf der aktiven Gestaltung, da diese zu einer Schlüsselperson im personellen Gefüge wird. Weil die Schaffung einer BBV-Stelle zu neuen Schnittstellen führt, müssen Aufgaben geklärt und Abläufe neu festgelegt werden.

Die Vorteile einer solchen Ausbildungsorganisation liegen auf der Hand. Lehrbetriebe, die auf dieses Modell umgestellt haben, berichten von einer deutlichen Entspannung im Kerngeschäft einerseits, von einer Intensivierung und Konzentration der Ausbildungsarbeit anderseits. Man stimmt überein, nicht nur den Kund/Innen, sondern auch den Personen in Ausbildung besser gerecht zu werden. Dies insbesondere auch im Falle von personellen Engpässen. Das hat damit zu tun, dass die Verantwortlichkeiten auf mehrere Schultern verteilt sind.

Nachteile des BBV-Modells sind: Das Modell kann nicht von heute auf morgen umgesetzt werden. Es setzt einen längeren, gemeinsamen Entwicklungsprozess voraus, damit es im Betrieb gut verankert werden kann. Durch die neue Schnittstelle steigt der Bedarf an Austausch und Absprache. Zudem müssen sich die BB’s mit dem Modell anfreunden, denn nicht wenige fühlen sich in ihrem Berufsethos „entehrt“. Sie befürchten, dass sie überflüssig werden, was aber nicht der Fall ist, da sie im Alltag mit den Lernenden weiterhin am Ball bleiben.

Fazit

Ich selber bin aufgrund von vielen eigenen Erfahrungen überzeugt, dass das BBV-Modell eine Steigerung der Ausbildungsqualität zu tragbaren Kosten erlaubt und Entwicklungen im Ausbildungsbereich überhaupt erst möglich macht. Es ist eine Voraussetzung für inhaltliche Kontinuität und Einheitlichkeit im Ausbildungsbereich einer Institution. Ausserdem trägt es dazu bei, die vielen Doppelspurigkeiten und Ineffizienzen des konventionellen Modells zu vermeiden.

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