Situation und Nutzen der Ausbildung «dipl. Kindererzieher/In HF»

Was bringt uns eigentlich die Ausbildung «dipl. Kindererzieher/In HF», welche im Sommer 2021 in «dipl. Kindheitspädagog/In HF» umgetauft wird?

Im Sommer 2020 waren es seit Beginn der neuen Ausbildung «dipl. Kindererzieher/In HF» (KE HF) zehn Jahre her. Die BFF Bern und die HFK Zug, welche die Studiengänge im Jahr 2010 zum ersten Mal durchführten, durften also ein Jubiläum feiern. Ab Sommer 2012 kamen dann die Ausbildungsgänge der Agogis in Zürich und noch etwas später die der Berufsfachschule in Basel hinzu.

Die neue Ausbildung stellte für die Professionalisierung der familien- und schulergänzenden Kinderbetreuung in der Schweiz eine wichtige Neuerung dar. In Bern und Zürich wird ein Teil des Studiums mit der Ausbildung «dipl. Sozialpädagog/In HF» kombiniert. Seit der Einführung wurde der Rahmenlehrplan bereits einmal angepasst und seine Umsetzung an den höheren Fachschulen laufend optimiert. Zudem finden aktuell erneute Anpassungen am Rahmenlehrplan statt.

Die Nachfrage ist noch sehr bescheiden

Nach zehn Jahren dürfte man meinen, dass die HF-Ausbildung im Berufsfeld unterdessen fest etabliert ist. Und in der Tat, spielen viele FaBes mit dem Gedanken, sie zu einem späteren Zeitpunkt zu absolvieren. Allerdings zeigen aktuelle Daten der Laufbahnstudie von SAVOIRSOCIAL[1], dass schlussendlich nicht allzu viele den HF-Weg beschreiten. In der breit angelegten Studie wurden Berufsabsolvent/Innen zu verschiedenen Punkten befragt, die ihren beruflichen Werdegang betrafen. Dabei gaben 9% der befragten FaBes an, eine weiterführende Ausbildung im Sozialbereich zu besuchen. Die von ihnen favorisierten Bildungsgänge waren fast ausschliesslich auf Tertiärstufe angesiedelt: 60% (von diesen insgesamt 9%) besuchten eine HF und 33% eine Fachhochschule. Das Volumen in den KE-Bildungsgängen ist also eher bescheiden.

Für die höheren Fachschulen ist das keine einfache Situation. Das zeigt auch das folgende Zitat, aus dem Newsletter der Oda Soziales Bern (infoda 4.2019, S. 9)[2]:

«Am letzten Infoanlass für die beiden Bildungsgänge Sozialpädagogik und Kindererziehung nahmen über 200 Personen teil, von denen 183 angaben, für welches Angebot sie sich interessieren: 22 für die Kindererziehung und 161 für die Sozialpädagogik. Somit besteht wieder eine Hoffnung, dass wir im Sommer 2020 zumindest eine Klasse Kindererziehung HF anbieten können. Dies neben den wie jedes Jahr vorgesehenen 5 Klassen Sozialpädagogik HF (je 2 Vollzeit und praxisbegleitend, zudem eine verkürzte praxisbegleitend für FaBe)».

Es ist also keine Selbstverständlichkeit, dass im Kinderbereich überhaupt eine Klasse zustande kommt. Das geht auch den anderen HF‘s so. Zudem zeigt das Zitat, dass sich viele Interessierte gar nicht für die Kinderbetreuung, sondern für die Sozialpädagogik entscheiden. Denn Letztere öffnet mehr berufliche Türen als die Kinderbetreuung.

Ist die HF-Ausbildung ein Flop?

Gibt es also gar keinen so grossen Bedarf an einer KE HF? Ist diese ein Flop? Ganz und gar nicht, wie ich meine. Ich bin überzeugt, dass das Berufsfeld dieses Angebot zur Weiterentwicklung der institutionellen Kinderbetreuung braucht. Aber man muss gut zwischen der Nachfrage durch die Fachpersonen und jener durch die Betriebe unterscheiden. Es sind letztere, welche für die zurückhaltende Nachfrage verantwortlich sind.

Gestützt auf viele Gespräche mit Fachpersonen gehe ich davon aus, dass die Nachfrage sehr viel höher als bei bloss 9% liegt. Dabei ist auch die Nachfrage von jenen Personen zu berücksichtigen, welche nicht schon einschlägig ausgebildet sind. Denn die HF-Ausbildung richtet sich ja nicht nur an FaBes, sondern auch an Maturand/Innen und Quereinsteiger/Innen. Aber welche Kita und welcher Kinderhort bietet schon HF-Ausbildungsplätze für Personen an, die noch nicht einschlägig vorgebildet sind? Vermutlich hält sich die Zahl solcher Ausbildungsplätze sehr in Grenzen. Wenn überhaupt, dann werden eher HF-Ausbildungsstellen für FaBes geschaffen, die bereits Teil des Teams sind, als für Personen, die man noch gar nicht kennt.

Die Voraussetzungen für die Betriebe sind hoch

Das Problem liegt nicht in der Nachfrage seitens dieser potenziellen Studierenden, sondern in der Zurückhaltung der Betriebe, HF-Ausbildungsplätze zu schaffen. Die Gründe hierzu sind vielfältig. Zuvorderst stellen sich Kostenfragen. Einerseits bezogen auf die Kosten der Ausbildung, anderseits auch bezogen auf die Lohnkosten nach der Ausbildung. In beiden Fällen sind die Konsequenzen nicht trivial. Viele Kitas und Kinderhorte können sich die HF-Ausbildung ganz einfach nicht leisten.

Aber oft sind es nicht einmal nur die Kosten, sondern die formalen Voraussetzungen, welche die Schaffung von HF-Ausbildungsplätzen verhindern. Betriebe, die HF-Studierende ausbilden möchten, müssen ein Anerkennungsverfahren durch die HF-Schulen durchlaufen. Voraussetzungen sind: Die Ausbildner/Innen verfügen über einen einschlägigen Abschluss auf der Tertiärstufe, einen Praxisausbildnerkurs und die nötige Praxiserfahrung. Und der Ausbildungsbetrieb benötigt ein sozialpädagogisch ausgerichtetes Ausbildungskonzept.

Viele Betriebe können diese Voraussetzungen nicht erfüllen. In der Regel scheitert es daran, dass es keine Ausbildner/Innen mit tertiärem Abschluss gibt. Zwar zeigten sich die HF-Schulen bisher oft kulant, wenn es um diesen Punkt ging, so dass erfahrene Krippenleiter/Innen – auch ohne tertiären Abschluss – anerkannt wurden. Doch nicht alle Führungspersonen können die Zeit aufbringen, auch noch HF-Studierende auszubilden.

Kosten und formale Voraussetzungen stellen somit das Nadelöhr für die Verbreitung der HF-Ausbildung dar. Diese Problematik wurde in den letzten Monaten auch in der Stadt Luzern heftig diskutiert, denn dort gelten neue Richtlinien[3]. Diese beinhalten u.a. die Auflage, dass spätestens ab 2025 jede Trägerschaft pro 30 Plätze eine Fachperson mit einem tertiären Abschluss beschäftigen muss.

Es braucht nicht nur Vorgaben, sondern auch Anreize

Diese Haltung finde ich persönlich eigentlich innovativ und fortschrittlich. Aber in der Umsetzung ist sie sehr anspruchsvoll. Sie wird für Luzerner Kitas eine finanzielle, personelle, konzeptionelle und strukturelle Herausforderung sein. Nichts desto trotz benötigt es meines Erachtens gewisse Vorgaben, um eine raschere Professionalisierung des Berufsfeldes zu ermöglichen. Neben Vorgaben wären aber auch Anreize durch die Gemeinden und Kantone wichtig, um finanzielle und formale Hürden möglichst tief zu halten. Denn für das Gros der Kitas und Kinderhorte sind die heutigen Hürden einfach noch sehr hoch.

Wie sieht wohl die Zukunft der HF-Ausbildung aus? Wird die Nachfrage steigen? Ich wünsche es dem Berufsfeld. Denn der Gewinn für die Ausbildungsorte wäre gross. HF-Studierende stellen in vielerlei Hinsicht eine Bereicherung dar. Sie ergänzen FaBe-Lernende ideal. Aufgrund des höheren Ausbildungsniveaus ist ihnen mehr zumutbar. Ihre Produktivität für den Ausbildungsbetrieb ist von Anfang an hoch. Wenn sie dann nach Ausbildungsabschluss noch im Betrieb bleiben, können sie anspruchsvollere Aufgaben übernehmen, sei es im Bereich der Leitung oder aber im Bereich der Pädagogik und des Konzepts.

Angesichts der wachsenden Anforderungen an die Kinderbetreuung braucht es diese Entwicklung. Zögern Sie deshalb nicht, um bereits heute die Weichen für morgen zu stellen. Schaffen Sie HF-Ausbildungsplätze und integrieren Sie diese in Ihr Budget und Ihre Planung. Wenn Sie wie ich davon überzeugt sind, dass es dazu noch Anreize und Unterstützung durch Behörden und Gemeinden braucht, leisten Sie dort die nötige Überzeugungsarbeit.

Lesen Sie auch den weiterführenden Beitrag «Begleitung von HF-Studierenden als externe Ausbildungsinstanz», der das Thema noch vertieft.

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